Carla Landau, Inbal Mitnik, Jiska Cohen-Mansfield, Efrat Tillinger, Eitan Friedman, Shahar Lev-Ari, Inquiry-Based Stress Reduction (IBSR) meditation technique for BRCA1/2 mutation carriers - A qualitative study, European Journal of Integrative Medicine 2016, 8, 958-964.

Zusammenfassung
In dieser qualitativen Studie [1] untersuchten die Autorinnen und Autoren den Effekt eines Programms mit «The Work», die hier untersuchungs-basierte Stressreduktion (IBSR) genannt wird, auf das Wohlbefinden von Frauen mit einer BRCA1- oder BRCA2-Genmutation. Diese beiden Genmutationen gehen mit einem stark erhöhten Risiko einher, an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken. Das Wissen um dieses erhöhte Risiko führt zu emotionalem Stress und kann die familiären und sozialen Beziehungen beeinträchtigen.
Vor und nach der IBSR-Intervention wurden halbstrukturierte Interviews durchgeführt, die anschliessend mit der interpretativen phänomenologischen Analysemethode [2] ausgewertet wurden. Die Studie wurde in der onko-genetischen Abteilung des Sheba Medical Center in Israel durchgeführt.

Durchführung:
Alle krebsfreien jüdischen Frauen, bei denen zwischen dem 1. Januar 2000 und 31. Dezember 2010 eine der beiden Genmutationen identifiziert worden war und die nachfolgend am Meirav Zentrum der Sheba Klink betreut wurden, konnten an der Studie teilnehmen.

Die 67 Frauen, die sich meldeten, wurden zufällig entweder der Interventions- oder der Kontrollgruppe zugeteilt.
Der Interventionsgruppe wurden so 33 Frauen zugewiesen. Nach den zeitlichen Präferenzen der Teilnehmerinnen wurde die Interventionsgruppe in 2 Untergruppen aufgeteilt, die sich an unterschiedlichen Wochentagen trafen. Eine der Untergruppen wurde dann zufällig ausgewählt und die 15 Teilnehmerinnen dieser Gruppe wurden telefonisch kontaktiert und über den qualitativen Teil der Studie informiert. Alle 15 Teilnehmerinnen erklärten sich bereit, an der Studie teilzunehmen.

Das Interventions-Programm mit «The Work» dauerte zwölf Wochen und umfasste wöchentliche Gruppentreffen (3.5 h pro Treffen) und ebenfalls wöchentliche telefonische Einzelsitzungen mit einem geschulten Begleiter/einer geschulten Begleiterin, in denen stressvolle Überzeugungen überprüft wurden. Ebenfalls Bestandteil des Interventionsprogramms waren wöchentliche Hausaufgaben, in denen die Teilnehmerinnen selbständig stresserzeugende Gedanken anhand des Arbeitsblattes «Urteile über deinen Nächsten» überprüften.
In der Woche vor und in der Woche nach dem zwölfwöchigen Programm mit «The Work» wurden halbstrukturierte Interviews durchgeführt:

Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen und anschliessend transkribiert.

Resultate:
15 Frauen nahmen am ersten Interview teil, das in der Woche vor dem IBSR-Programm stattfand.
13 Frauen beendeten auch das zweite Interview nach der IBSR-Intervention. 2 Frauen brachen die Studie ab.

In den Interviews zeigten sich vier übergeordnete Themen:

«Ich selber»: Dieses Thema umfasste mehrere Aspekte, die das innere Erleben der Frauen, ihre Sorgen, aber auch ihre Stärken und Fähigkeiten betrafen. Die meisten Frauen hatten Schwierigkeiten, ihre persönlichen Bedürfnisse ins Zentrum zu stellen.
Nach dem Programm mit «The Work» schilderten sie, dass sich ihr Innenleben verändert habe. Sie spürten Akzeptanz, Hoffnung und Dankbarkeit:
«Ich sehe die Dinge anders und das hilft... das Glas halb voll zu sehen... die Realität zu akzeptieren und zu versuchen, einen Weg zu finden, damit umzugehen. Es [das IBSR-Programm] half mir, das Leben anders wahrzunehmen.»

«Trägerin eines BRCA-Gens sein»: Nach der Diagnose der BRCA-Genmutation erlebten die teilnehmenden Frauen Ängste und Stress wegen des erhöhten Krebsrisikos. Das IBSR-Programm half ihnen, besser mit den diesbezüglichen Sorgen umzugehen:
«Das Programm mit ‹The Work› half mir, mit den Gedanken, die sich um Krebs drehten, umzugehen. Ich mache mir immer noch Sorgen, aber ich denke weniger. Es brachte mein Denken und meine Ängste in ein Gleichgewicht.»
Weiter erlebten es die Frauen als hilfreich, andere BRCA-Genmutationsträgerinnen zu treffen. Sie fühlten sich unterstützt und konnten Informationen austauschen.

«Das Umfeld»: Die Teilnehmerinnen beschrieben meist stressvolle und herausfordernde Interaktionen mit ihrem Umfeld, die nicht nur mit ihrer Situation als BRCA-Genmutationsträgerin zu tun hatten, sondern u. a. auch die Beziehung zu ihren Kindern oder den Alltag betrafen.
Als speziell hilfreich wurden in diesem Themenfeld «die drei Arten von Angelegenheiten», die die Teilnehmerinnen im IBSR-Programm kennen lernten, erlebt:
«Sie [die drei Angelegenheiten] halfen mir wirklich, weil ich mir dessen vorher nicht bewusst gewesen war... Ich habe realisiert, dass wir die meiste Zeit über die Angelegenheiten von anderen Leuten nachdenken. ‹The Work› half mir, authentischer zu sein und mich nicht einzumischen.»
Zusätzlich berichteten die Frauen, dass sie die Beziehungen zu den Studienmitarbeiterinnen und -mitarbeitern als persönlich und nahe erlebt hatten und durch sie zu Veränderungen motiviert worden waren.

«Das Programm mit ‹The Work›»: Als viertes Hauptthema wurde das Programm mit «The Work» identifiziert, da die teilnehmenden Frauen damit systematisch ihre stresserzeugenden Gedanken zu den anderen drei Themenfeldern untersuchen konnten, was dazu beitrug, dass sich ihr Wohlbefinden in allen drei Feldern verbesserte:
«Ich war überrascht, wie gut ‹The Work› funktioniert. Sie ist praktisch... Sie gibt dir Werkzeuge, es ist klar, was du tun musst.»

Ein Vergleich der Interviews vor und nach dem IBSR-Programm zeigte, dass sich die Hoffnungen der Teilnehmerinnen erfüllt hatten, z. B. besser zu schlafen, besser zurecht zu kommen oder innere Stärke zu gewinnen.

Die teilnehmenden Frauen äusserten aber auch Bedenken, dass sie es schaffen würden, «The Work» ohne regelmässige Treffen auszuüben. Weiter beschrieben die Frauen Schwierigkeiten darin, «The Work» anzuwenden, wenn es um Themen ging, die ihre Kinder betrafen. Möglicherweise braucht es dafür mehr Übung: «Diese ‹Steine› sind schwierig aufzubrechen, schwere, starke ‹Steine›. Einer ist die Krankheit, der zweite ist mein Kind. Ich glaube, damit ‹The Work› mir bei diesen Themen helfen kann, sollte ich sie wirklich verinnerlichen, und an diesem Ort bin ich noch nicht.»

Schlussfolgerung:
Die vorliegende qualitative Studie zeigte, dass «The Work» drei wichtige und zentrale Dimensionen im Leben der betroffenen Frauen zusammenführt und positiv beeinflusst: ihr inneres Erleben, ihre Erfahrung als BRCA-Genmutationsträgerin und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Frauen waren mit dem IBSR-Programm zufrieden, es erfüllte ihre Erwartungen.

[1] Zur Unterscheidung zwischen qualitativen und quantitativen Studien siehe Quantitative vs. Qualitative Methoden.
[2] Die interpretative phänomenologische Analyse (IPA) eignet sich besonders, um das Erleben, subjektive Sichtweisen und Sinngebungen von Personen zu untersuchen.
Quellen: über IPA1, siehe Seite 544f. about IPA2.